Fehlende Beschuldigtenbelehrung des „Zeugen“ kann zum Verwertungsverbot führen/ Entscheidung des Landgerichts Köln

Oft kommt ein Mandant in die Kanzlei und berichtet, er sei bereits von der Polizei „vernommen“ worden. Es stellt sich die Frage, ob diese ersten Angaben verwertbar sind. Das ist in jeder Sache sorgfältig zu prüfen.

Zu diesem Probelmfeld hat das LG Köln aktuell eine Entscheidung getroffen:
In der Entscheidung des LG Köln 101 Qs 26/20 = StraFO 20, 489, war der Beschuldigte (Verdacht betrunken gefahren zu sein) von den Beamten als Zeuge vernommen worden. Allerdings – so das Landgericht Köln – hat sich die Beschuldigtenstellung des Betroffenen aus einer Reihe von Umständen den Beamten sofort aufgedrängt (Fahrzeug war auf ihn zugelassen, er war betrunken in der Nähe des Fahrzeugs angetroffen worden etc.). Er hätte daher als Beschuldigter belehrt werden müssen, bevor er zur Sache befragt wird.


In der Praxis kommt es vor, das Polizeibeamte eigentlich tatverdächtige Personen als Zeugen vernehmen und diese Personen sich dann selbst belasten. Ob die Beamten noch zulässig eine Zeugenvernehmung durchgeführt haben oder schon hätten als Beschludigten belehren müssen, wird in diesen Fällen oft streitig zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung.
Es kann oft ratsam sein, frühzeitig einen Verwertungswiderspruch über den Verteidiger einzureichen.

Im Falle des LG Köln hat der Verwertungswiderspruch des dortigen Verteidigers Erfolg gehabt!

Corona/Strafrecht/Zivilrecht/Die Kanzlei bleibt offen

Corono hat das Leben von uns allen verändert. Wie es weitergeht können wir alle noch nicht sagen. Viele Gerichte haben auf Notbetrieb umgeschaltet.

Die Kanzlei bleibt geöffnet und natürlich bin ich auch weiterhin für Sie da. Besprechungen werden, soweit das möglich ist, telefonisch erfolgen. Sie können sich jederzeit auch per Mail an mich wenden (info@rechtsanwaltwigger.de). Ich werde so schnell wie möglich antworten.

Bleiben Sie gesund!

Bußgeldrecht/Blitzer/Rohmessdaten: VGH Saarland hebt Blitzer-Verurteilung auf!

Durch Urteil vom 05.07.2019 hat das VGH Saarland eine Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 27 km/h aufgehoben, da die Rohmessdaten (Messgerät: Jenoptik Traffistar S 350) nicht zur Verfügung gestellt wurden. Das Gericht sieht hierin einen Verstoß gegen das faire Verfahren.

Die Entscheidung VerfGH Saarland, 05.07.2019 – Lv 7/17

Die Entscheidung findet viel Beachtung, da endlich ein oberes Gericht die Unsitte, Rohmessdaten nicht zur Verfügung zu stellen, bzw. gar nicht erst zu speichern, als Verstoß gegen das faire Verfahren wertet (und damit die Verurteilung aufhebt!). Es bleibt abzuwarten, welche Gerichte dem Urteil folgen. In jedem Fall ist dies ein erfolgversprechender Verteidigungsansatz.

Strafprozessrecht/ Strafrecht: Beweisverwertungsverbot nach Durchsuchung (anonymer Anruf)

Das Amtsgericht Bautzen (41 Ds 600 Js 8781/14) lehnte die Eröffnung eines Hauptverfahrens ab, in dem Beweismittel (Bilder auf einem PC) gewonnen worden nach einer Durchsuchung aufgrund eines anonymen Anrufs.

Der Anruf war nicht gesichert worden und ergab auch keinerlei dezidierten Tatsachen. Der Anrufer gab lediglich an, man werde die Bilder auf dem Laptop finden. Das Amtsgericht meint, hier bestünde ein Beweisverwertungsverbot (Rüge des Verteidigers war natürlich erfolgt). Das Verfahren war daher nicht zu eröffnen.

mein Kommentar: Absolut richtige Entscheidung! Anderenfalls könnte die Polizei selbst sich durch einen „anonymen Anruf“ – sei er selbst vorgenommen oder über Dritte provoziert – Durchsuchungen ermöglichen. Auch könnten Leute anonym Durchsuchungen beim ungeliebten Nachbarn herbeiführen. Die Voraussetzungen einer Durchsuchung sind sowieso schon relativ gering, es sollte überprüfbar bleiben, warum eine solche Durchsuchung erfolgt ist, denn nur ein „echter“ Verdacht darf einen Dursuchungsbeschluss rechtfertigen.

 

Werkvertragsrecht / Vertragsrecht: Kein Vergütungsanspruch bei Schwarzarbeit

BGH Urteil vom 10.04.2014 AZ: VII 241/12: Der BGH entschied, wer z.B. als Handwerker schwarz arbeitet, hat keinen gerichtlich durchsetzbaren Werklohnanspruch (und auch sonst keine Ansprüche, insbesondere nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung) gegen den Besteller. Damit gab der BGH seine seit Jahren geltende Rechtsprechung auf.

 

(Meiner Meinung nach fragwürdig. Aber das Urteil zeigt: Gegen Schwarzarbeit weht derzeit ein rauher Justizwind)

 

Mietrecht (Schadenersatz/Kaution) Stehpinkeln erlaubt!

Das Amtsgericht Düsseldorf (Urt. v. 20.01.2015, Az. 42 c 10583/14) meint, Stehpinkeln ist erlaubt. In dem Fall hatte ein Vermieter € 1.900.- von der Kaution abgezogen, da der Marmorboden vom Pinkeln im Stehen abgestumpft war (Urinspritzer) Das Amtsgericht Düsseldorf sagt zu Unrecht, denn der Mieter hätte nicht mit der Verätzung des Bodens rechnen müssen. Etwas anderes hätte nur gegolten, wenn der Mieter vorher auf die Empfindlichkeit des Bodens hingewiesen worden wäre. Der Mieter konnte also nach Auszug die volle Kaution verlangen.